Vorsicht: Umfassende Verschwiegenheitsklausel im Arbeitsvertrag erschwert Durchsetzung von GeschGehG-Ansprüchen

Regelmäßig enthalten Arbeitsverträge oder Aufhebungsvereinbarungen auch eine Klausel zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Sind die Regelungen zu weit gefasst, ist das Verbot jedoch wegen Verstoßes gegen § 138 BGB unwirksam, wie das OLG Koblenz in einer aktuellen Entscheidung nochmals betont. Dies hat weitreichende Auswirkungen auf den Umgang mit Geschäftsgeheimnissen und die Beurteilung von Verletzungshandlung nach den §§ 4 ff. GeschGehG.

Bereits im Jahr 1998 entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.05.01998, Az. 9 AZR 394/97, dass allumfassende Verschwiegenheitsvereinbarungen in Arbeitsverträgen unwirksam sind. Diese seither unverändert geltende Rechtsprechung entfaltete ihre Wirkungen bisher maßgeblich im Arbeitsrecht und seine Schnittstelle zum Lauterkeitsrecht. Mit Einführung des GeschGehG erhält diese Rechtsprechung nun eine neue Bedeutung.

Arbeitsgerichtliche Rechtsprechung

In dem Ausgangsverfahren klagte die frühere Arbeitgeberin gegen ihren früheren Arbeitnehmer auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz wegen der Verletzung einer vertraglich vereinbarten Verschwiegenheitsverpflichtung betreffend aller dem Arbeitnehmer bekanntgewordenen Geschäftsvorgänge. Der Arbeitnehmer hatte seine während des Arbeitsverhältnisses erlangten Kenntnisse für seine nachvertragliche Tätigkeit auf demselben Markt nutzbar gemacht.

Das BAG entschied, dass die Verschwiegenheitsvereinbarung unwirksam sei, da sie in ihrer konkreten Ausgestaltung ein unzulässiges nachvertragliches Wettbewerbsverbot darstelle. Die Vereinbarung, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses alle zur Kenntnis des Arbeitnehmers gelangten Geschäftsvorgänge auf unbestimmte Zeit nicht als Erfahrungswerte einsetzen zu dürfe – sog. All-Klausel –, ohne dass er eine Karenzentschädigung enthalte, überschreite die gesetzlich nach §§ 74 ff. HGB vorgesehenen Grenzen eines maximal zwei Jahre andauernden Wettbewerbsverbotes.

Diese Bewertung gilt auch heute noch unabhängig davon, ob die Verschwiegenheitsklausel individualvertraglich oder im Wege einer AGB in den Arbeitsvertrag eingebunden ist. Entsprechende Verschwiegenheits- bzw. Wettbewerbsverbotsklauseln verstoßen nach dem Urteil des BGH vom 03.12.2015, Az.: VII ZR 100/15, gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wenn ihr Umfang für den Betroffenen nicht hinreichend klar ist. Den allgemeinen Grundlagen entsprechend erfolgt zum Schutze des mit einer unklaren AGB konfrontierten Arbeitsnehmer keine sich auf die Grenzen der §§ 74 ff. HGB beziehende geltungserhaltende Reduktion.

Lauterkeitsrechtliche Rechtsprechung

Die vorbeschriebene Rechtsprechung steht im Einklang mit der lauterkeitsrechtlichen Entscheidungspraxis des BGH. Auch dieser schützt in seinem Urteil vom 14.01.1999, Az. I ZR 2/97, im Ausgangspunkt die nachvertragliche Möglichkeit von Arbeitnehmern, mit dem ehemaligen Arbeitgeber in Wettbewerb treten. Setzt man dabei geschäftliche Kenntnisse ein, die man zuvor beim Arbeitgeber erlangt hat, so ist dies lauterkeitsrechtlich unproblematisch, solange kein vertragliches Wettbewerbsverbot besteht und die Kenntnisse auf lautere Art und Weise erlangt sowie verwendet werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Kenntnisse „aus dem Gedächtnis“ genutzt werden. Anders hingegen fällt die Beurteilung bei der Nutzbarmachung von zuvor erstellten Aufzeichnungen über die Geschäftsgeheimnisse aus.

Auswirkungen auf die Beurteilung nach dem GeschGehG

Die Wirksamkeit einer Verschwiegenheitsvereinbarung ist für die Durchsetzung von Ansprüchen aus dem GeschGehG von zentraler Bedeutung. Denn die Offenlegung und unbefugte Nutzung eines Geschäftsgeheimnisses stellen eigene Verletzungstatbestände nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GeschGehG dar. Voraussetzung ist, dass der Handelnde gegen eine Verpflichtung verstößt, die ihn an der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses hindern soll.

In Betracht kommen hier insbesondere vertragliche Geheimhaltungsverpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag oder in der Aufhebungsvereinbarung. Selbstverständlich sind entsprechende Klauseln auch unter der Geltung des GeschGehG möglich. Entscheidend ist, dass die Regelungen wirksam sind und insbesondere keine „All-Klausel“ eingesetzt wird. Eine zu weit gefasste Klausel ist unwirksam und begründet keine Ansprüche des ehemaligen Arbeitgebers, wie nun auch das OLG Koblenz nochmals klarstellt (Urteil vom 21.07.2021, Az. 9 U 1382/13). Verstößt demgegenüber der ehemalige Arbeitnehmer gegen eine wirksam vereinbarte Geheimhaltungsverpflichtung, stehen dem ehemaligen Arbeitgeber Ansprüche aus § 4 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GeschGehG zu (natürlich unter der Voraussetzung, dass die übrigen Schutzvoraussetzungen vorliegen).

Der Arbeitgeber kann also ein erhebliches Interesse daran haben, im Arbeits- oder Aufhebungsvertrag konkret zu definieren, welche Geschäftsgeheimnisse ein Arbeitnehmer für welchen Zeitraum nicht nutzen darf. Dabei kann es sich auch anbieten, eine Karenzentschädigung zu zahlen, um eine Sicherheit zumindest für zwei Jahre zu erhalten. Eine darüber hinaus gehende Geheimhaltungsverpflichtung kommt im Regelfall nur im Hinblick auf konkret beschriebene Einzelheiten in Betracht, die der Arbeitnehmer auch für sein weiteres berufliches vorkommen nicht benötigt.

Ohne wirksame Geheimhaltungsverpflichtung muss der Arbeitgeber nachweisen, dass der Arbeitnehmer sich ein Geschäftsgeheimnis durch Zugriff auf Unterlagen beschafft hat, die er nicht oder nicht mehr nutzen durfte. Nach der Rechtsprechung des BGH zu § 17 UWG a.F. handelt ein Arbeitnehmer, der nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auf Unterlagen zurückgreift, die er während des Arbeitsverhältnisses befugtermaßen nutzen durfte, unbefugt i.S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. (Urteil vom 26.02.2009, Az. I ZR 28/06 – Versicherungsvertreter). Diese Wertung dürfte auch nach Inkrafttreten des GeschGehG weitergelten und kann jedenfalls unter den Auffangtatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG gefasst werden (OLG Koblenz, Urteil vom 21.07.2021, Az. 9 U 1382/13). Der Nachweis ist jedoch mitunter nur schwer zu führen.

Fazit

Bei der Formulierung von Verschwiegenheitsverpflichtungen ist weniger manchmal mehr – zu weit gefasste Verbote sind unwirksam. Und spätestens vor Einleitung eines GeschGehG-Verfahrens sollte die Wirksamkeit der eigenen Verschwiegenheitsverbote überprüft werden.