OLG Düsseldorf präzisiert „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“

Eine der zentralen Neuerungen des GeschGehG ist die Legaldefinition des Geschäftsgeheimnisses in § 2 Nr. 1 GeschGehG. Dabei sieht § 2 Nr. 1 b) GeschGehG vor, dass nur solche Informationen ein Geschäftsgeheimnis bilden, die Gegenstand „angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen“ sind. Eine aktuelle Entscheidung des OLG Düsseldorf hilft bei der Auslegung des Begriffs:

Ausgangsfall: Mitgenommene CAD-Zeichnung

Ausgangspunkt der Auseinandersetzung vor dem OLG Düsseldorf ist ein Klassiker: Bei der Klägerin handelt es sich um ein Maschinenbauunternehmen, die unter anderem Zentrifugen herstellt und vertreibt. Der Geschäftsführer der Beklagten war langjähriger Mitarbeiter der Klägerin und hatte in dieser Eigenschaft unter anderem Zugang zu CAD-Konstruktionszeichnungen. Eine dieser Konstruktionszeichnungen hat der Geschäftsführer der Beklagten offenbar mitgenommen.

Soweit die Entscheidung klarstellt, dass die in einer Konstruktionszeichnung enthaltenen technischen Angaben in der Regel zumindest in ihrer Gesamtheit ein Geschäftsgeheimnis bilden, entspricht dies der früheren Rechtsprechung zu § 17 UWG a.F. (BGH, Urteil vom 22.03.2018 – I ZR 118/16 – Hohlfasermembranspinnanlage II).

OLG: Anforderungen an angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen

Interessant und praxisrelevant sind jedoch die Ausführungen des OLG zu den vertraglichen, organisatorischen und technischen Vorkehrungen, mit denen die Klägerin den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse sicherstellte. Konkret hat das Unternehmen folgende Maßnahmen eingesetzt:

  • Zugangsbeschränkung zu den Gebäuden, wobei ein Zugang nur nach Anmeldung per Sprechanlage möglich war
  • Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen mit den Arbeitnehmern, die auch eine Pflicht zur Rückgabe betrieblicher Unterlagen, Datenträger und etwaiger Kopien vorsah
  • Abschluss von Geheimhaltungsvereinbarungen mit Geschäftspartnern und ZulieferernZugriff auf einzelne Rechner nur unter Verwendung eines personalisierten Benutzernamens und eines Kennwortes sowie Beschränkung der Zugriffsrechte mit unterschiedlichen Freigabeniveaus (need-to-know)
  • Absicherung der IT durch Firewall und gesicherte VPN-Leitung
  • Umfassende Maßnahmen für firmeneigene Smartphones (Installation von Software und Apps nur mit Zustimmung des Administrators, Einrichtung einer SIM-Kartensperre und eines Display-Passwortes vorgesehen, Möglichkeit zur Fernlöschung bei Verlust des Smartphones).
  • Beschränkung der Zugriffsrechte auf das besonders relevante CAD-System auf Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung
  • Rechtvorbehalt und Hinweis auf ein Vervielfältigungsverbot auf den einzelnen CAD-Konstruktionszeichnungen

Diese Geheimhaltungsmaßnahmen hat das OLG in ihrer Gesamtheit ausdrücklich als geeignet und angemessen beurteilt. Dabei war auch unschädlich, dass einzelne CAD-Zeichnungen auf Nachfrage an weitere Mitarbeiter herausgegeben wurden, solang dies anlassbezogen für konkrete geschäftliche Tätigkeiten erforderlich war.

Allerdings stellt das OLG klar, dass das Bekanntwerden der Zeichnungen (nur) kurzfristig wirtschaftliche Nachteile insbesondere in Form finanzieller Einbußen durch das Tätigwerden eines Wettbewerbers begründet. Dem gegenüber drohe durch das Bekanntwerden der Zeichnungen aufgrund des Umstands, dass die Zentrifugen aus weiteren technischen Modulen bestünden, kein nachhaltiger Schaden oder gar eine Existenzgefährdung. Vor dem Hintergrund der Bedeutung der konkreten Geheimnisse seien die Maßnahmen angemessen. Ein optimaler, unüberwindbarer Schutz sei nicht erforderlich (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.03.2021, 15 U 6/20).

Bewertung der Vorgaben

Die Entscheidung des OLG ist ebenso erfreulich wie praxisnah. Sie stellt klar, dass mit einem normalen Aufwand, der auch jedem mittelständischen Unternehmen ohne weiteres zumutbar ist, die Voraussetzung des § 2 Nr. 1 b) GeschGehG erfüllt sind. Dies gilt auch schon deswegen, weil – wie das OLG zutreffend unterstreicht – der Schutz von Geschäftsgeheimnissen keinen optimalen Schutz erfordert. Die Maßnahmen müssen eben „angemessen“ sein, nicht mehr und nicht weniger.

Zu beachten bleibt allerdings, dass das OLG offenbar über den Schutz „normaler“ Geschäftsgeheimnisse zu entscheiden hatte. Es handelte sich um Konstruktionszeichnungen, deren Bekanntwerden problematisch, aber für das Unternehmen nicht katastrophal ist. Sofern Unternehmen insbesondere im Hochtechnologiebereich über Geschäftsgeheimnisse verfügen, an denen tatsächlich die Existenz des Unternehmens hängt, reichen die geschilderten Maßnahmen wohl nicht mehr aus. Ein normaler Schutz ist für äußerst wertvolle Geheimnisse nicht mehr „angemessen“.

Fazit

Das Urteil des OLG Düsseldorf enthält eine praxistaugliche Übersicht für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Für überragend wichtiges Know-How reichen die Maßnahmen jedoch nicht aus. Hier müssen schärfere Schutzvorkehrungen getroffen werden.

Eine ausführliche und mittlerweile wiederholt zitierte Übersicht zu dem Thema enthält auch der Aufsatz in GRUR 2019, 352.

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