Geschäftsgeheimnis trotz YouTube-Video?

Nach dem GeschGehG können nur solche Informationen ein Geschäftsgeheimnis bilden, die nicht allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich sind. Die Vorgabe entspricht ungefähr dem Merkmal der „(fehlenden) Offenkundigkeit“, dass die Rechtsprechung zu § 17 UWG a.F. entwickelt hatte. Wie das neue Tatbestandsmerkmal konkret auszulegen ist, bleibt bislang weitgehend unklar.

Messepräsentation und YouTube-Video

Das OLG Koblenz hat in einem Urteil vom 21.07.2021 (Az. 9 U 1382/13, nicht veröffentlicht) entschieden, dass die Darstellung eines Gegenstands in einem YouTube-Video keine Offenkundigkeit der durch den Gegenstand verkörperten Geschäftsgeheimnisse begründet. Das OLG Düsseldorf scheint einen anderen Bewertungsmaßstab anzulegen und kommt in seinem Urteil vom 04.02.2021 (Az. 15 U 37/20) zu dem Ergebnis, dass die Präsentation eines Produktes auf der Messe zur Offenkundigkeit der darin verkörperten Geheimnisse führt, wobei insoweit aber noch nicht auf die Normen des GeschGehG abzustellen war.

OLG Düsseldorf, 15 U 37/20: Messepräsentation führt zu Offenkundigkeit

Das OLG Düsseldorf hatte zu entscheiden, ob die Informationen über die Anordnung von Bohrungen einer Schwimmbuchse trotz Präsentation des Produktes auf einer Messe im Jahr 2015 weiterhin als „Know-how“ im Sinne einer zwischen den Parteien geschlossenen „Know-how“-Schutzvereinbarung einzustufen sei. Mangels konkreter vertraglicher Regelungen hat das Gericht dabei die zu § 17 UWG a.F. entwickelten Maßstäbe angewandt und führt aus:

Offenkundigkeit liegt vor, wenn die Tatsache allgemein bekannt ist […]. Das ist der Fall, wenn die betreffende Information – von wem auch immer, ob mit oder ohne Billigung des Unternehmensinhabers – allgemein bekannt gemacht wird und eine Kenntnisnahme der interessierten Kreise zu erwarten ist […]. Davon ist bei einer Veröffentlichung in allgemein zugänglichen Medien, wie z.B. in (Fach-)Zeitschriften und Fachbücher, im Internet oder in Datenbanken, auszugehen […]. Darüber hinaus führt auch die Präsentation auf Messen, Werbeveranstaltungen, Werbeprospekten zur allgemeinen Bekanntheit […].

Auf dieser Grundlage bewertet es die Darstellung der Schwimmbuchse in einer Produktbroschüre und deren Präsentation auf einer führenden Fachmesse im Jahr 2015. Bis auf zwei Angaben betreffend den Durchmesser einer großen und einer kleinen Bohrung seien die Ausstattungsmerkmale der Schwimmbuchse durch die Produktbroschüre offenkundig geworden. Die Schwimmbuchse sei auf einem Podest ausgestellt und für jeden Besucher unmittelbar zugänglich gewesen. Absperrungen oder sonstige Schutzmaßnahmen waren nicht vorhanden. Soweit nicht alle technischen Details unmittelbar erkennbar waren, hätte der verständige Besucher aus den verfügbaren Informationen Rückschlüsse auf die Gesamtheit der Anordnung der Bohrungen ziehen können. Damit, so der Senat, könnten die Informationen kein zugunsten des ursprünglichen Inhabers geschütztes Know-how mehr darstellen.

OLG Koblenz, 9 U 1382/13: Keine Offenkundigkeit trotz Internetabruf (?)

Der Rechtsstreit vor dem OLG Koblenz betraf die angebliche Nachahmung von technischen Merkmalen einer Hohlfasermembranspinnanlage, insbesondere deren Düsenblöcke. Die Beklagten haben unter anderem geltend gemacht, dass die Klägerin einen Werbefilm in ihrem unternehmenseigenen Kanal auf YouTube veröffentlicht habe, in dem sowohl die schematische Darstellung der Innenseite der Spinndüse als auch die Unterseite des Düsenblocks erkennbar sind. Ferner war eine frühere Entscheidung des OLG Koblenz, die weitere Konstruktionszeichnungen und technische Informationen enthielt, jahrelang in der Datenbank beck-online abrufbar. Diese Informationen, so die Beklagten, hätten dem fachkundigen Betrachter eindeutige Rückschlüsse auf die konkrete technische Ausgestaltung der Düsenblöcke ermöglicht.

Das OLG meint in seinem Urteil vom 21.07.2021, dass die Verfügbarkeit dieser Informationen bei beck-online bzw. YouTube Geheimnisschutz nicht entgegenstehe. Nach § 2 Nr. 1 a) GeschGehG sei eine Information nur dann als Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren, wenn sie weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist (Hervorhebung im Original). Im Streitfall sei jedoch nicht vorgetragen, dass gerade die relevanten Fachkreise Nutzer der juristischen Datenbank beck-online sein. Auch die Verfügbarkeit des YouTube-Videos führe nicht zum Verlust des Geheimnisschutzes.

Die Auffassung des OLG ist bemerkenswert, überzeugt im Ergebnis aber nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des GeschGehG deutlich strengere Anforderungen an die Darlegung der Offenkundigkeit stellen wollte. Ebenso wie unter der Geltung von § 17 UWG a.F. dürfte es ausreichen, dass ein fachkundiger Betrachter die Möglichkeit hat, durch das Betrachten des Produktes oder seine Abbildung technische Informationen zu erlangen. Bei einem YouTube-Video, dass auf dem unternehmenseigenen Kanal bereitgestellt wird, dürfte diese Voraussetzung eigentlich nicht in Zweifel stehen. Unabhängig davon fehlt es in Bezug auf solche Informationen ersichtlich an angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen im Sinne des § 2 Nr. 1 b) GeschGehG.

Praxistipp

Die Darlegung der Offenkundigkeit oder allgemeinen Bekanntheit erfordert präzisen und konkreten Tatsachenvortrag. Die großzügige Sichtweise des OLG Koblenz, die eine allgemeine Bekanntheit trotz Internetveröffentlichung ablehnt, sollte die Geheimnisinhaber nicht in Sicherheit wiegen. Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung des Merkmals der „allgemeinen Bekanntheit“ steht noch aus. Außerdem sind die Informationen, die im Internet abrufbar sind, offensichtlich nicht Gegenstand von angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen.