Gefahr eines GeschGehG-Verstoßes nach Mitarbeiterwechsel – Ausweg „Clean Team“?

Ein häufiger Auslöser für GeschGehG-Verfahren ist der Wechsel eines Mitarbeiters zum neuen Arbeitgeber. Nicht nur die – unzulässige – Mitnahme von Unterlagen, sondern auch die – grundsätzlich zulässige – Verwendung redlich erlangten Wissens begründet Prozessrisiken, wenn der Ursprung bestimmter Informationen nicht nachgewiesen werden kann. Hier kann die Einrichtung sogenannter „Clean Teams“ die Risiken reduzieren.

Dass der Fortgang von Arbeitnehmern besondere Risiken für den Verlust von Geschäftsgeheimnissen bildet, ist allgemein bekannt und war auch Gegenstand zahlreicher Streitigkeiten. Schon in der berühmten „López-Affäre“ wurde der frühere Opel-Manager Ignacio López beschuldigt, vor seinem Ausscheiden systematisch geheime Unterlagen gesammelt und diese dann zu seinem neuen Arbeitgeber, der Volkswagen AG, mitgenommen zu haben. Ein Strafverfahren wegen Verstoßes gegen § 17 UWG a.F. in Deutschland wurde zwar eingestellt. Zur Beendigung eines Rechtsstreits in den USA hat Volkswagen jedoch immerhin 100 Mio. US-Dollar Schadenersatz an die Opel-Muttergesellschaft General Motors bezahlt und sich verpflichtet, für eine weitere Milliarde US-Dollar Bauteile von General Motors zu beziehen (zu den Hintergründen hier und hier).

Prominente Auseinandersetzungen aus jüngerer Zeit betreffen erneut die Automobilindustrie: Google bzw. deren Tochtergesellschaft Waymo, die ein selbstfahrendes Auto entwickelt, hat Uber wegen der Verwertung von Geschäftsgeheimnissen in Anspruch genommen. Der Rechtstreit wurde gegen Zahlung eines Vergleichsbetrags von 245 Mio. US-Dollar beendet. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war die Abwerbung eines von Uber abgeworbenen, zuvor bei Waymo beschäftigten Softwareingenieurs, der technisch relevante Daten mitgenommen hat. Auch Tesla und Apple führen mehrere Auseinandersetzungen gegen frühere Mitarbeiter (weitere Infos finden Sie hier und hier).

Nutzung des Erfahrungswissens

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein ausgeschiedener Mitarbeiter sein Erfahrungswissen unbeschränkt zugunsten seines neuen Arbeitgebers einsetzen, solange er keinem Wettbewerbsverbot unterliegt. Der neue Arbeitgeber darf dieses Erfahrungswissen auch gezielt zur Entwicklung neuer Produkte einsetzen. Wichtig ist dabei eine sorgfältige Dokumentation der Entwicklungsschritte, um die eigenständige Erarbeitung im Fall eines Prozesses auch beweisen zu können. Die Einzelheiten hatten wir in unserem letzten Beitrag erläutert (hier).

Entwicklung durch „Clean Teams“

Noch leichter lässt sich die Eigenständigkeit einer Entwicklung nachweisen, wenn die Entwicklungsabteilung von vornherein in mehrere voneinander unabhängige Gruppen aufgeteilt ist und die eigentliche Neuentwicklung durch ein „Clean Team“ erfolgt. Auch wenn zahlreiche Spielarten dieser Arbeitsweise existieren, lässt sich die Grundidee wie folgt zusammenfassen:

Ein Team befasst sich mit der Analyse des Wettbewerbs und seiner Produkte. Dieses Team kann auch frühere Angestellte eines Wettbewerbers umfassen, die dann auch ihr Erfahrungswissen einbringen. Sämtliche Analyseergebnisse und Vorgaben, die dieses Team erarbeitet, werden umfassend dokumentiert.

In sehr wichtigen Fällen, vor allem bei größeren Unternehmen, existiert ein zweites Team, das ausschließlich für Koordinierungs- und Prüfaufgaben zuständig ist. Diese zwischengeschaltete Stelle prüft also, ob die von dem ersten Team zusammengestellten Informationen in irgendeiner Form Geschäftsgeheimnisse z. B. des ehemaligen Arbeitgebers eines Mitarbeiters enthalten könnten. Diese Vermittlungsfunktion kann aber auch in das erste Team integriert werden.

Entscheidend ist dann, dass die Mitarbeiter, die mit der eigentlichen Neuentwicklung betraut sind, ausschließlich die vom ersten Team erstellten Informationen erhalten und lediglich auf Grundlage dieser Dokumentation (und natürlich frei verfügbarer Quellen) mit der Entwicklung der neuen Produkte oder Prozesse befasst sind. Mit einem solchen Prozess ist sichergestellt, dass die Mitarbeiter des „Clean Teams“ keinen Zugang zu weiteren Informationen, insbesondere keinen Kontakt zu dem ersten Team und zu dem gewechselten Arbeitnehmer haben.

Sofern dann auch die Entwicklungstätigkeit des Clean Teams vollständig und ordnungsgemäß dokumentiert wird und die vom ersten Team übermittelten Unterlagen keine Geschäftsgeheimnisse enthalten, dürfte der Vorwurf einer unzulässigen Verwertung ohne weiteres entkräftet werden können. Der Nachweis der Eigenentwicklung und die Verteidigung in einem Gerichtsverfahren sind dann deutlich leichter.

Fazit

Die Verteidigung gegen den Vorwurf einer unberechtigten Verwertung von Geschäftsgeheimnissen, die neue Arbeitnehmer mitgebracht haben, erfordern eine gute Vorbereitung. Unerlässlich ist die vollständige Dokumentation des eigenen Entwicklungsprozesses. Der Einsatz eines Clean Teams kann die Risiken nochmals verringern und den Nachweis der Eigenentwicklung erheblich erleichtern.