Besichtigungsverfahren im GeschGehG

Bei Einführung des GeschGehG hat der Gesetzgeber die Beschaffung von zusätzlichen Informationen bei dem Verdacht einer Verwertung von Geschäftsgeheimnissen nicht geregelt. Möglich ist das Besichtigungsverfahren trotzdem.

Im Gegensatz zu den immaterialgüterrechtlichen Vorschriften enthält das GeschGehG keinen Anspruch auf Vorlage und Besichtigung bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Rechtsverletzung. Derartige Ansprüche wurden bei Umsetzung der Enforcement-Richtlinie 2004/48/48/EG zwar in § 140 c Abs. 1 PatG und wortgleich in die anderen immaterialgüterrechtlichen Gesetze (vgl. § 101 a UrhG, § 19a MarkenG) eingefügt. Bei der Umsetzung der Know-how-RL 2016/943 hat der Gesetzgeber die Aufnahme einer entsprechenden Regelung, soweit ersichtlich, jedoch nicht einmal erwogen. In der Praxis billigen die Gerichte den Anspruch aber gleichwohl zu.

Anspruch aus § 140c PatG analog

Eine Anspruchsgrundlage könnte eine analoge Anwendung von § 140 c PatG bilden. Zu beachten ist dabei, dass die RL 2016/943 nach Erwägungsgrund 2,4 und 10 ausdrücklich den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der EU verbessern sollte. Würde man nun einen Besichtigungsanspruch verweigern, wäre dies offenbar nicht im Sinne der Richtlinie. Da die Richtlinie zugleich darauf verweist, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen für die Unternehmen dieselbe Bedeutung habe wie der Schutz von Rechten des geistigen Eigentums (Erwägungsgrund 1), spricht vieles für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage.

Anspruch aus § 809 BGB

Will man dieser Argumentation nicht folgen, so ergibt sich ein Besichtigungsanspruch unmittelbar aus § 809 BGB. Einen entsprechenden Anspruch hat das OLG Frankfurt schon im Jahr 2010 ohne weiteres anerkannt (Urteil vom 10.06.2010 – 15 U 192/09). Auch das OLG Hamm hat einen solchen Anspruch vorausgesetzt (Urteil vom 31.03.2013, Az. 4 U 200/12).

An dieser Bewertung hat sich durch das GeschGehG nichts geändert. § 809 BGB regelt den Anspruch auf Besichtigung einer Sache zur Verwirklichung eines „Hauptrechts“ und richtet sich gegen den (potentiellen) Verletzer dieses Hauptrechts. Dabei gewährt § 809, 2. Variante, BGB den Besichtigungsanspruch nicht nur in dem Fall, dass ein solcher Hauptanspruch besteht, sondern auch dann, wenn dieser lediglich vermutet wird. Der BGH hatte – lang vor der Einführung von § 140c PatG und den entsprechenden Vorschriften in anderen Gesetzen – in der berühmten Entscheidung „Faxkarte“ (BGH GRUR 2002, 1046 oder hier). Danach steht der Besichtigungsanspruch dem Urheber zu, der sich vergewissern möchte, ob eine bestimmte Sache unter Verletzung des geschützten Werks (dort ein Quellcode) hergestellt wurde. Jedenfalls für den Bereich der Geschäftsgeheimnisse gelten die Erwägungen des BGH aus dieser Entscheidung in vollem Umfang weiter.

TRIPS

Die Anwendung von § 809 BGB auf die Beweissicherung bei Geschäftsgeheimnissen ist schon nach den Vorgaben des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) geboten. Bereits in „Faxkarte“ hatte der BGH klargestellt, dass die Einhaltung des TRIPS-Abkommens zwingend die Gewährung eines prozessualen Beweissicherungsmittels erfordert (Art. 43 TRIPS). Da der deutsche Gesetzgeber bei Ratifizierung des TRIPS-Abkommens davon ausging, dass die Schaffung neuer Rechtsinstitute nicht erforderlich ist, müsse § 809 BGB in einer Weise ausgelegt werden, die dem TRIPS-Abkommen genügt. Entscheidend ist nun, dass das TRIPS-Abkommen nicht allein Immaterialgüter-rechte im eigentlichen Sinne umfasst, sondern in Art. 39 TRIPS ausdrücklich auch den Schutz von Geheimnissen („nicht offenbarter Informationen“, „undisclosed information„) zum Gegenstand hat. Die Einhaltung des TRIPS-Abkommens verbietet also, im deutschen Recht für die Beweissicherung zwischen Immaterialgüterrechten und Geschäftsgeheimnissen zu unterscheiden.

Fazit

Auch ohne ausdrückliche Regelung im GeschGehG ist die Beschaffung von Informationen im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens bei einem Verdacht von Verwertungshandlungen möglich. Grundlage sind § 140c PatG oder § 809 BGB.