Nachweis angemessener Schutzmaßnahmen im Verfahren

Keine Regelung des GeschGehG wirft so viele Fragen auf wie das Erfordernis angemessener Schutzmaßnahmen als zwingende Voraussetzung für den Geheimnisschutz. Einige Urteile deuten nun darauf hin, dass die Regelung in der Zukunft tatsächlich zu erheblichen Problemen für Geheimnisinhaber führen wird. Die Anforderungen an den Nachweis entsprechender Maßnahmen im Verfahren werden durchaus hochgeschraubt.

Ausgangspunkt

Gemäß § 2 Nr. 1 b) GeschGehG setzt der Schutz einer Information als Geschäftsgeheimnis voraus, dass diese Information Gegenstand angemessener Schutzmaßnahmen durch den Inhaber ist. Während Einigkeit bestand, dass die Schutzmaßnahmen organisatorischer, technischer oder rechtlicher Natur sein können, blieb die genaue Ausgestaltung und insbesondere die Frage des Schutzniveaus unklar. Zahlreiche Stimmen im Schrifttum plädieren mit Nachdruck und guten Gründen dafür, keine überzogenen Anforderungen zu stellen (u.a. Ohly, GRUR 2019, 441, 443 a.E.; Kalbfus, GRUR-Prax 2017, 391, 393; Apel/Stolz, GRUR-Prax 2021, 1, 3). Auch schon die Gesetzesbegründung deutete an, dass je nach Art des Geschäftsgeheimnisses unterschiedliche Geheimhaltungsmaßnahmen, die von allgemeinen internen Richtlinien bis zu technischen Zugangshürden reichen können, einzurichten sind (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrs. 19/4724, S. 24).

Auch die ersten Gerichtsentscheidungen betonen durchaus, dass ein vollständiger und perfekter Schutz nicht erforderlich ist (OLG Düsseldorf, U.v. 11.03.2021, Az.: 15 U 6/20, Rn. 64). Trotz dieser Beteuerungen ergeben sich aus einigen Entscheidungen gravierende Schwierigkeiten für die Praxis.

Need to know-Prinzip und Informationsmanagement

Mittlerweile ist anerkannt, dass der Einsatz des „Need to know-Prinzips“ zu den grundlegenden Schutzmaßnahmen gehört. Es darf also nur derjenige Mitarbeiter Zugang zu einer konkreten Information erhalten, der diese für die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten benötigt. Entsprechendes gilt für die Gewährung des Zugangs an unternehmensexterne Personen. Wie die Praxis nun zeigt, genügt die bloße Etablierung eines solchen Systems jedoch nicht.

Die Gerichte hinterfragen im Streitfall, welcher Mitarbeiter aus welchem Grund Zugang zu einer Information erhalten hat (so OLG Schleswig, Urteil vom 28.04.22, Az. 6 U 39/21, wir berichteten hier). Schon zuvor hatte das LAG Köln eine vergleichbare Position eingenommen und klargestellt, dass der Geheimnisinhaber beweisen muss, welche Geheimnisse welchem Schutz unterlagen und welche Personen mit dem Geheimnis in Kontakt gekommen sind (LAG Köln, Urteil vom 02.12.2019, Az: 2 SaGa 20/19, Rn. 23). Diese Position hat das Arbeitsgericht Aachen unlängst noch einmal ausdrücklich bestätigt (ArbG Aachen, Urteil vom 13.01.2022, Az: 8 Ca 1229/20, Rn. 85, über das Urteil haben wir hier berichtet).

Diese Sichtweise der Gerichte begründet nicht weniger als die Verpflichtung des Geheimnisinhabers, für den gesamten „Lebenszyklus“ eines Geschäftsgeheimnisses eine vollständige Dokumentation der Zugriffsberechtigungen zu erstellen. Dies bedeutet einen sehr erheblichen organisatorischen Aufwand, zumal die Proteste aus dem Datenschutzrecht sicherlich nicht auf sich warten lassen. Ohne eine solche umfassende Dokumentation droht dem Geheimnisinhaber, wenn sich die Position durchsetzt, der Verlust des Rechtsschutzes.

Nachweis technischer Schutzmaßnahmen

Auch im Zusammenhang mit technischen Schutzmaßnahmen stellen die Gerichte zunehmend strengere Anforderungen an die substantiierte Darlegung der konkreten Maßnahmen. Die – in der Prozesspraxis durchaus häufig anzutreffenden – langen, aber letztlich sehr allgemeinen Auflistungen von einzelnen technischen Maßnahmen im Unternehmen genügen in der Regel nicht.

Vielmehr erwarten die Gerichte eine substantiierte Darlegung zur Frage, welche Maßnahmen speziell in Bezug auf die konkrete Information ergriffen und in der Praxis umgesetzt wurden (vgl. ArbG Aachen, Urteil vom 13.01.2022, Az. 8 Ca 1229/20, Rn. 88/89).

Hinweis

Für Geheimnisinhaber und ihre Prozessvertreter wird das Leben ein wenig schwieriger. Gerichte gehen mehr und mehr dazu über, das Vorhandensein angemessener Schutzmaßnahmen kritisch zu hinterfragen. Erwartet wird eine substantiierte Darlegung einzelner Maßnahmen in Bezug auf das konkrete Geheimnis. Pauschale Aufzählungenund allgemeine Erläuterungen zu (angeblich) ergriffenen Maßnahmen genügen nicht mehr. Bei den entsprechenden Ausführungen im Verfahren sind also Sorgfalt und Vorsicht geboten.