ArbG Hamburg: Cocktailrezept kein Geschäftsgeheimnis

In einem arbeitsrechtlichen Fall hat das Arbeitsgericht Hamburg einem Cocktailrezept die Eigenschaft als Geschäftsgeheimnis abgesprochen (U.v. 01.07.2021, Az. 4 Ca 17/21). Dies lag allerdings nicht darin begründet, dass Rezepte grundsätzlich dem Geschäftsgeheimnisschutz nicht zugänglich sind, sondern darin, dass das in Rede stehende Rezept ohne Weiteres zugänglich war und die vermeintliche Geheimnisinhaberin keine angemessenen Schutzmaßnahmen implementiert hatte.

Der Ausgangsfall

Die Beklagte und Widerklägerin betrieb eine Bar in der die Klägerin und Widerbeklagte als Barkeeperin beschäftigt war. Im Zuge der coronabedingten Schließungen der Bar kam es zwischen den Parteien zu einer Auseinandersetzung über das (Nicht-)Bestehen des Beschäftigungsverhältnisses gekommen. Zu dieser Zeit betrieben sowohl die Beklagte als auch die Klägerin, diese im Wege einer von ihr gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts, einen Außer-Haus-Verkauf von Cocktails. Die Cocktails hatten unterschiedliche Namen, die Cocktailrezepte waren allerdings in Hinblick auf die Zutaten, deren Mengenverhältnisse und die Zubereitung identisch. So benutzen beide Parteien etwa Verjus anstatt Zitronen (was Verjus ist, erklärt Wikipedia).

Zwischen den Parteien kam es zu einer Auseinandersetzung über das Bestehen von Entgelt- und Urlaubsforderungen und über den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses. Die Klägerin begehrte die gerichtliche Feststellung des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses sowie Zahlung. Im Wege einer Widerklage beantragte die Beklagte unter anderem, dass die Klägerin es unterlasse, verschiedene Rezepturen für die Cocktails im Rahmen ihres Außer-Haus-Verkaufs zu verwenden.

Rechtliche Bewertung

Das Arbeitsgericht wies die Widerklage ab. Es bewertete sie als teils unzulässig und ansonsten unbegründet.

Die Bewertung, ob die Klägerin gegen die Vorgaben des GeschGehG verstoßen hatte, unterlag nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 d) ArbGG der Zuständigkeit des Arbeitsgerichts. Wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die Verletzung von Geschäftsgeheimnissen im Zuge des Arbeitsverhältnisses streiten, liegt eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit aus unerlaubten Handlungen vor, soweit diese mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang steht. In einem solchen Fall – wie auch dem vorliegenden – liegt auch die sachliche Zuständigkeit über diese Frage bei den Arbeitsgerichten.

Den Antrag, „die Klägerin zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr das Konzept „XY-Cocktails“ der Beklagten und insbesondere die Flaschenrezepturen für die Cocktails „… -30th Century Sour“ „Le Perfect Mec“ zu verwenden oder an Dritte weiterzugeben sowie unerhebliche Abwandlungen der Rezepturen zu verwenden oder an Dritte weiterzugeben“ lehnte das Gericht mangels Bestimmtheit als unzulässig ab. Weder ein „Konzept XY Cocktails“ noch die „unerheblichen Abwandlungen“ seien hinreichend klar abgrenzbar, um den Umfang der materiellen Rechtskraft und ihre Auswirkungen auf die Vollstreckung eines Urteils festzustellen.

Weiter stellte das Gericht klar, dass die Rezepte kein Geschäftsgeheimnis bildeten. Die Produktetiketten und die Onlineshops wiesen jeweils die Zutaten der Cocktails aus. Die Zutaten waren also bereits öffentlich bekannt. Ferner hatte die Beklagte vorgetragen, dass jeder (Hobby-)Barkeeper die Zusammensetzung ebendieser Zutaten im Wege des Testens und Schmeckens herausfinden konnte. Diesem Vorbringen war die Klägerin nicht entgegengetreten. Da (Hobby-)Barkeeper gerade die Kreise sind, die üblicherweise mit dieser spezifischen Art von Informationen umgehen, kommt es auch (nur) auf die leichte Zugänglichkeit der Informationen durch Barkeeper an.

Außerdem hatte die Beklagte keinerlei Schutzmaßnahmen für ihre Rezepturen implementiert. Die Rezepte erfüllten daher nicht die Anforderungen des § 2 Nr. 1 GeschGehG, sodass die Beklagte keine Ansprüche gegen die Klägerin nach dem GeschGehG herleiten konnte.

Fazit

Der dargestellte Fall illustriert zwei typische Probleme des GeschGehG:

Zunächst bestätigt er, dass gerade in Arbeitsverhältnissen ein reger und häufig nicht hinreichend systematisierter Informationsfluss stattfindet. Dem Risiko unerwünschter Informationsflüsse kann der Arbeitgeber als möglicher Geheimnisinhaber nur durch Schutzmaßnahmen Einhalt gebieten, die über die gewöhnlichen arbeitsrechtlichen Treuepflichten hinausgehen. Die Rechtsprechung fordert in dieser Hinsicht auch nicht von jedem Geheimnisinhaber, sagenumwobene Maßnahmen einzuführen, wie sie angeblich zum Schutz der Coca-Cola-Rezeptur eingesetzt werden (s. zu den angemessenen Schutzmaßnahmen hier). In dieser Hinsicht ist die Entscheidung Mahnung und Erinnerung zugleich: ohne Schutzmaßnahmen kein Schutz.

Der Fall unterstreicht außerdem, dass in den Grenzen des GeschGehG jede Art von Information Gegenstand des Geheimnisschutzes sein kann. Anders als im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht findet keine Aufteilung in unterschiedliche Zwecke und Kategorien statt. Jede Information, die die Anforderungen des § 2 Nr. 1 GeschGehG erfüllt, kann ein Geschäftsgeheimnis begründen. Dies gilt grundsätzlich auch für ein Rezept und einzelne Informationen zur Bereitung eines Cocktails oder anderer Produkte wie Farben, Kunststoffe etc. Vorliegend hat das Gericht den Geheimnisschutz abgelehnt, weil die Zutaten der Cocktails bekannt waren und zugleich die Mengenverhältnisse leicht abgeschmeckt werden konnte. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, z.B. also die Reihenfolge oder die Temperaturverhältnisse bei der Mischung eine Rolle spielen (was bei industriellen Prozessen häufig der Fall ist), so kann auch diese einzelne Information ein Geschäftsgeheimnis bilden, sofern diese Information eben nicht – wie bei den Coktails – den relevanten Verkehrskreisen ohne Weiteres zugänglich ist.