IFG und GeschGehG, oder: Wessen Geheimnis ist es denn eigentlich?

Auskunftsverlangen nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) erfreuen sich bei den Behörden und anderen Stellen bekanntlich nicht gerade großer Beliebtheit. Häufiger Ablehnungsgrund ist unter anderem die Behauptung, dass dem Auskunftsverlangen die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines Dritten entgegenstehen. Das Argument ist allerdings verfehlt, wenn die Behörde selbst z.B. im Rahmen der Marktüberwachung Informationen über die Produkte eines Dritten gesammelt hat. Bei diesen Informationen handelt es sich bei richtiger Anwendung des Gesetzes um Informationen der Behörde selbst, nicht um Geheimnisse Dritter.

Rechtlicher Rahmen: Verhältnis von IFG und GeschGehG

In 14 Bundesländern sowie auf Bundesebene regelt ein Informationsfreiheitsgesetz (IFG) einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Landes- bzw. Bundesbehörden. Die Argumente, mit denen Behörden den Zugang zu Informationen trotz der klaren Gesetzeslage verweigern, sind vielfältig und mitunter durchaus kreativ. In den meisten Fällen unterliegen sie aber glücklicherweise vor den Verwaltungsgerichten (Übersicht hier).

Mit geringen Abweichungen ist in sämtlichen IFG-Anprüchen die Beschränkung enthalten, dass der Informationsanspruch nicht zur Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen führen darf: Gemäß § 6 Satz 2 IFG Bund darf ein Zugang zu diesen Geheimnissen nur mit Einwilligung des Betroffenen erfolgen. Hier ist also von vornerein keine abweichende Entscheidung der Behörde möglich. § 8 IFG NRW ermöglicht immerhin die Übermittlung der Information, wenn ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs besteht und ein möglicher Schaden nur geringfügig ist.

Diese Vorbehalte sind im Ausgangspunkt sinnvoll und richtig, da Behörden häufig im Rahmen ihrer Tätigkeit Geschäftsgeheimnisse erlangen und diese nicht durch IFG-Ansprüche offenbart werden sollen. Die Anwendung dieser Vorschrift durch die Behörden zeugt allerdings häufig von grundlegender Unkenntnis des GeschGehG, welches auch für die Auslegung der IFG-Vorschriften von Relevanz ist.

Beispielsfall: Analyse von Bauprodukten durch die Behörde

Eine Marktüberwachungsbehörde, etwa das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), führt im Rahmen seiner Zuständigkeit einige Untersuchungen der Materialbeschaffenheit von Bauprodukten durch. Auslöser für diese Untersuchungen sind begründete Zweifel daran, dass die Bauprodukte die in der Werbung und der CE-Zertifizierung beschriebenen Eigenschaften auch tatsächlich aufweisen. Das DIBt lässt also bestimmte Bauprodukte eines Herstellers einkaufen, an ein Labor liefern und dort analysieren. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse trifft das DIBt dann eine Entscheidung.

Ein anderer Hersteller von Bauprodukten erlangt nun von den Untersuchungen des DIBt Kenntnis und beantragt die Überlassung der Ergebnisse der vom DIBt beauftragten Untersuchungen auf Grundlage des IFG. Die Behörde verweigert die Herausgabe unter Hinweis darauf, dass es sich bei den Ergebnissen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Herstellers der Produkte handelt.

Wie ist die Rechtslage?

Anwendbarkeit der Definitionen des GeschGehG auch im IFG

Zunächst wird sich die Behörde damit anfreunden müssen, dass der Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ unter Berücksichtigung des GeschGehG auszulegen ist. Bekanntlich enthält § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Legaldefinition des Geheimnisbegriffes, die – dies ist entscheidend – auch im öffentlichen Recht Anwendung findet (so ausdrücklich BVerwG, Beschluss vom 05.03.2020, Az. 20 F 3/19, NVwZ 2020, 715, 716 und hier). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das öffentliche Recht eine abweichende Definition des Geheimnisses enthält. Dies ist – soweit ersichtlich – in keinem IFG der Fall. Für sämtliche Landes-IFG sowie für das IFG Bund ist also die Legaldefinition des § 2 Nr. 1 GeschGehG maßgeblich.

Kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bei fehlerhaften Produkten

Voraussetzung für die Einordnung der Untersuchungsergebnisse als Geschäftsgeheimnis des Herstellers wäre zunächst ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse dieses Unternehmens (§ 2 Nr. 1 lit. c) GeschGehG).

Dieses berechtigte Interesse kann im Ausgangspunkt vorliegen, wenn die Information geeignet ist, den Wettbewerb des Herstellers zu schwächen. Allerdings setzt das berechtigte Interesse auch voraus, dass die zugrundeliegende Information nicht von der Rechtsordnung missbilligt wird. Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse liegt weder nach GeschGehG noch nach IFG vor, wenn das Geheimhaltungsinteresse im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. Sofern die Untersuchungsergebnisse also das Ergebnis beinhalten, dass das untersuchte Produkt fehlerhaft war und nicht in Verkehr gelangen durfte, dürfte kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse vorliegen.

Inhaberschaft der Geheimnisse: Behörde oder Hersteller?

Spannender ist allerdings noch eine andere Frage: Handelt es sich überhaupt um ein Geheimnis des Herstellers?

Gemäß § 2 Nr. 2 GeschGehG ist Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses derjenige, der die rechtmäßige Kontrolle über das Geheimnis hat. Dies wiederum ist die Person oder Stelle, die die Information selbst generiert oder selbst erschaffen hat. Die Inhaberschaft ist jedoch – anders als im Fall des Urheberrechts – nicht die Folge eines geistigen Schöpfungsakts. Vielmehr wird diejenige Person oder Stelle Inhaber der Information, die berechtigt ist, die Information zu nutzen und die Verfügungsgewalt über die Information auszuüben. Der Inhaber muss die Möglichkeit haben, den Zugriff auf das Geheimnis zu bestimmen, einzuschränken oder auszuschließen.

Nach diesem Maßstab ist im Fall der Ergebnisse von Untersuchungen, die eine Behörde selbst veranlasst hat, allein die Behörde der Geheimnisinhaber. Die Untersuchungen wurden ohne jegliche Beteiligung des Herstellers durchgeführt. Die Informationen sind originär in der Sphäre der Behörde, die die Untersuchung in Auftrag gegeben und bezahlt hat, entstanden. Allein die Behörde hat die Verfügungsbefugnis über diese Informationen und kann die Kontrolle über diese Informationen ausüben. Der Umstand, dass die Informationen die Produkte eines Dritten (des Herstellers) betreffen, spielt für diese Bewertung keine Rolle. Jedes Unternehmen ist befugt, die öffentlich verfügbaren Produkte eines anderen Unternehmens analysieren zu lassen (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 a) GeschGehG). Das Unternehmen, welches eine solche Analyse bezahlt, ist Inhaber der entsprechenden Resultate – und unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 GeschGehG – eben auch Geheimnisinhaber. Für die Behörde gilt – in Ermangelung spezialgesetzlicher Vorschriften – nichts anderes. Die wichtige Folge dieser Bewertung ist der Umstand, dass es sich bei den Untersuchungsergebnissen um behördliche Informationen wie alle anderen handelt. Außerhalb der Vorgaben des IFG kann sich die Behörde nicht auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen Dritter berufen (weil es eben im Sinne des GeschGehG keine Geheimnisse Dritter sind). Die Ergebnisse der eigenen Untersuchungen der Behörde unterliegen dem Auskunftsanspruch nach IFG.

Fazit: Untersuchungsergebnisse der Behörde unterliegen dem IFG

Die Abwehr von IFG-Auskunftsansprüchen wegen vermeintlicher Geschäftsgeheimnisse hat ihre Grenzen. In Fällen, in denen die relevanten Informationen durch die Behörde selbst erlangt wurden, handelt es sich nicht um Geschäftsgeheimnisse des Dritten, sondern um behördliche Informationen. In diesen Fällen ist die Verweigerung der Herausgabe rechtwidrig.