Ansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen können nur von demjenigen geltend gemacht werden, der seine Geheimnisse durch angemessene Maßnahmen vor dem Zugriff Dritter schützt. Zu diesen Maßnahmen gehören auch vertragliche Regelungen mit den Arbeitnehmern. Nach einem Urteil des BAG stellte sich die Frage, ob die Verwendung unwirksamer „Catch-all“-Klauseln automatisch den Vorwurf begründet, dass keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Eine neue Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg lässt jedoch hoffen (Urt. v. 03.07.2025, Az. 8 Ta 1/25, hier aufrufbar).
Schutzmaßnahmen
Zur Prüfung angemessener Schutzmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b) GeschGehG beachten die Gerichte neben einzelnen Maßnahmen (Alarmanlage, Zugangskontrolle, IT-Sicherheit, Vertraulichkeitsvereinbarungen etc.) insbesondere zwei Aspekte:
Einerseits ist für das Gericht ausschlaggebend, ob das Unternehmen eine Klassifizierung und Bewertung seiner Geschäftsgeheimnisse vorgenommen hat. Dies ist Voraussetzung für die Ausgestaltung von Schutzmaßnahmen. Andererseits erwarten die Gerichte, dass das „Need-to-know“-Prinzip eingehalten wurde. Demnach soll der Geschäftsinhaber nur den Personen einen rechtmäßigen Zugang zu den schutzbedürftigen Informationen gewähren, die diesen Zugang zur Erfüllung ihrer Pflichten oder vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich benötigen.
Im Rahmen von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten sind für die Arbeitsgerichte zudem insbesondere arbeitsvertragliche Geheimhaltungsregelungen ausschlaggebend.
Unwirksamkeit von „Catch-all“-Klauseln
Bekannt ist: Wenn die in den Arbeitsverträgen enthaltene Geheimhaltungsverpflichtung zu weit gefasst und unbestimmt ist und über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus uneingeschränkt gilt, ist sie unwirksam. Darüber hatten wir bereits in einem anderen Beitrag (hier) berichtet.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dies in seinem Urteil vom 17.10.2024 höchstrichterlich geklärt (Az. 8 AZR 172/23). Ausgangspunkt des Verfahrens war ein Rechtsstreit über die unzulässige „Mitnahme“ von Geschäftsgeheimnissen durch einen ausgeschiedenen Arbeitnehmer. Die Klausel lautete:
„XY wird über alle Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie alle sonstigen ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangenden Angelegenheiten und Vorgänge der Gesellschaft stillschweigend bewahren. Diese Pflicht besteht auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.“
Das BAG stellte fest, dass die Geheimhaltungsverpflichtung unwirksam sei, da sie zeitlich und inhaltlich uneingeschränkt sämtliche Informationen erfasse, die dem Arbeitnehmer im Rahmen seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangten. Die Klausel wirke wie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot und untersage die Nutzung jeglichen (Erfahrungs-)Wissens bei einem neuen Arbeitgeber faktisch ebenso wie die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Eine solche Geheimhaltungsverpflichtung benachteilige unangemessen im Sinne von § 307 BGB.
Die Entscheidung des BAG verdeutlicht, dass eine unwirksame Geheimhaltungsklausel keine geeignete Anspruchsgrundlage für einen vertraglichen Anspruch gegen den Arbeitnehmer bildet. Darüber hinaus wirft sie die Frage auf, ob die Verwendung einer unwirksamen Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag automatisch dazu führt, dass vom Fehlen angemessener Schutzmaßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b) GeschGehG auszugehen ist und Ansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen somit nicht mehr durchsetzbar sind.
Stehen unwirksame Geheimhaltungsklauseln einem Anspruch aus dem GeschGehG entgegen?
Das LAG Baden-Württemberg verweist in seinem Beschluss vom 03.07.2025 (Az. 8 Ta 1/25) zwar auf das Urteil des BAG und hält die vereinbarte nachträgliche Geheimhaltungsverpflichtung wegen unangemessener Benachteiligung gemäß § 307 BGB für unwirksam. Anders als in der Entscheidung des BAG hat sich das LAG aber zusätzlich noch mit dem Umfang vorhandener technischer Sicherheitsmaßnahmen beschäftigt und angedeutet, dass unwirksame Vertragsklauseln die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem GeschGehG zumindest nicht automatisch ausschließen.
Das LAG Baden-Württemberg rügt die Unwirksamkeit der arbeitsvertraglichen Geheimhaltungsverpflichtungen, da sie keine angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen begründeten. Die Klauseln definierten nämlich lediglich betriebliche Angelegenheiten, die geheim zu halten sind, erwähnten jedoch keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Es fehle jeder Bezug zum Begriff des Geschäftsgeheimnisses, weshalb die Klausel zu unbestimmt sei. Das Gericht fügt der Argumentation des BAG außerdem noch weitere Aspekte hinzu.
So betont das Gericht, dass das Argument, eine unwirksame Vertragsbestimmung sei aufgrund der „psychologischen Hürde“ als wirksamer Beitrag zur Umsetzung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen zu betrachten, wie es das OLG Schleswig-Holstein in seinem Urteil vom 28.04.2022 (Az. 6 U 39/21) vertreten hat, nicht herangezogen werden könne. Das Argument, dass Verschwiegenheitsklauseln trotz ihrer Unwirksamkeit den Arbeitnehmer an seine arbeitsrechtliche Treuepflicht mahnen und dadurch stets eine angemessene Geheimhaltungsmaßnahme bilden, verkenne, dass die getroffenen Geheimhaltungsmaßnahmen anhand eines objektiven Maßstabs zu beurteilen seien. Bei objektiver Betrachtung würden sie einen potentiellen Verletzer von vornherein nicht davon abhalten, die streitgegenständlichen Informationen im Sinne des GeschGehG zu verwenden.
Das Gericht geht auch auf den Umfang der technischen und organisatorischen Maßnahmen ein: So hält das LAG angesichts der von der Klägerin behaupteten Werte der relevanten Dateien die Umsetzung des need-to-Konzepts für unzureichend. Auch wenn nur Mitarbeiter der Konstruktionsabteilung Zugriff auf die relevanten Dateien hätten, handele es sich dabei schon um 20 % der Belegschaft. Positiv bewertet das Gericht auch im Ausgangspunkt, dass der Zugang zum Serverraum verschlossen und die private Nutzung von USB-Sticks verboten sei, hält aber auch diese Maßnahmen für unzureichend. Das LAG führt aus, dass zum Beispiel eine Verschlüsselung der relevanten Dateien, eine Entkoppelung der Arbeitsrechner für Konstruktionszeichnungen vom Internet oder eine technische Sperrung der Nutzung externer USB-Sticks weitere mögliche technische Maßnahmen gewesen wären. Außerdem rügt das LAG, dass keine Protokollierung der Nutzungsvorgänge erfolgt sei und kein sonstiges Kontrollsystem bestanden habe.
Diese Entscheidung lässt sich so verstehen, dass die Verwendung einer unwirksamen Vertragsklausel zumindest nicht automatisch bedeutet, dass keine angemessenen Schutzmaßnahmen vorlagen und somit ein Anspruch aus dem GeschGehG ausgeschlossen ist. Das Vorliegen unwirksamer Vertragsklauseln kann zwar als Anknüpfungspunkt für den Vorwurf dienen, dass angemessene Schutzmaßnahmen möglicherweise nicht getroffen wurden. Es reicht jedoch nicht aus, diesen Umstand als alleinige Grundlage heranzuziehen. In die Bewertung muss vielmehr auch einfließen, ob tatsächlich (weitere) angemessene Schutzmaßnahmen getroffen worden sind. Sind diese Maßnahmen im Sinne von § 2 Nr. 1 b) GeschGehG angemessen, führt die Unwirksamkeit der Vertragsklausel nicht zwangsläufig dazu, dass Ansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nicht durchsetzbar sind.
Fazit
Das Urteil des LAG Baden-Württemberg lässt hoffen, dass unwirksame Klauseln im Arbeitsvertrag nicht automatisch bedeuten, es seien keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen worden und damit Ansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen nicht durchsetzbar sind. Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Arbeitsgerichte, insbesondere auch das BAG, dieser Ansicht anschließen werden. Im Übrigen müssen Geheimnisinhaber bei wirklich wichtigen Geschäftsgeheimnissen mehr als übliche Schutzmaßnahmen treffen. Das Urteil zeigt auch, dass sich die Gerichte kritisch mit einzelnen technischen und organisatorischen Maßnahmen befassen und dabei durchaus strenge, vielleicht übertrieben strenge Maßstäbe anlegen.